Die niederländische Bauindustrie

Die niederländische Bauindustrie bekommt 2021 die Folgen der Coronakrise zu spüren. Analysten rechnen mit einem Branchenminus von vier bis 5,5 Prozent.

Die niederländische Bauindustrie © Peter de Kievith
Crane lifting a wall on a construction site in Rotterdam with a building in the background

Die niederländische Bauindustrie ist ein starker Pfeiler der Wirtschaft und wuchs 2019 noch stärker als alle anderen Branchen im Nachbarland. Die Auswirkungen der Coronakrise zeigen sich mit Verzögerung. Ging das Bauvolumen 2020 nur um ein Prozent zurück, wird dieses Jahr ein Härtestest für die Branche.

Neben Corona ist dabei auch das umfassende niederländische Klimaschutz-Programm der Regierung eine Herausforderung: Die Branche muss sich nachhaltiger aufstellen und ihre CO2-Emissionen reduzieren. Positiver Impulsgeber bleiben dagegen die energetische Modernisierung des Bestandbaus, der Wohnungsbau sowie die Sanierung der Infrastruktur.

Chancen für deutsche Unternehmen

Großes Potenzial bietet der private Bausektor. Hier punkten deutsche Fachunternehmen mit ihrer Praxis-Erfahrung bei der Energiewende, die in den Niederlanden erst jetzt richtig in Fahrt kommt. Stichwort: energetische Sanierung. Laut einer Studie des Energieforschungszentrums ECN (Energy Research Center of the Netherlands) fehlt beispielsweise bei jeder zweiten Immobilie eine ausreichenden Dachisolierung, bei jeder fünften auch eine Fassadendämmung. Außerdem heizen und kochen noch immer 90 Prozent der Haushalte mit Gas. Um die Klimavorgaben der Europäischen Union einzuhalten, müssen die meisten Bestandbauten auf nachhaltige Alternativen umgestellt werden. Nach Einschätzung der GTAI gibt es in den Niederlanden dafür nicht genügend Fachbetriebe, was die Marktchancen für deutsche Betriebe erhöht. Auch die Alterung der Bevölkerung bietet gute Perspektiven: Der Bestand an barrierefreien Wohnungen in den Niederlanden deckt die Nachfrage bei weitem nicht.

Die Entwicklung der niederländischen Bauindustrie

Sechs Jahre in Folge hat die niederländische Bauindustrie kontinuierlich zugelegt: 2019 stieg die Bauproduktion im Nachbarland noch einmal um 5,2 Prozent.Diesem Wachstum hat Corona ein Ende bereitet. Für 2021 erwarten Analysten ein Rückgang des Auftragsvolumens zwischen vier und 5,5 Prozent. Zum einen, weil Privatverbraucher weniger finanziellen Spielraum für Invesitionen in Immobilien zur Verfügung haben werden. Zum anderen, weil auch Unternehmen sowie der Staat weniger in Gewerbebauten respektive Infrastruktur investieren werden.

So erwartet die ING-Bank für den Infrastrukturbau ein Minus von zwei Prozent und für den Wohnungs- und Gewerbebau einen Volumenrückgang von fünf Prozent. 

Wohnungsmarkt

Von den knapp acht Millionen Wohnungen und Häuser in den Niederlanden sind die meisten in Privatbesitz. Allein 2018 wurden knapp 218.500 Eigentumswohnungen verkauft. Die Immobilienpreise steigen inzwischen das sechste Jahr in Folge und haben seit dem Einbruch 2013 wieder um 36 Prozent zugelegt.

Anders als in Deutschland werden nur rund 42 Prozent des Wohnbestands in den Niederlanden vermietet. Die meisten Mietwohnungen (knapp 80 Prozent) sind im Besitz von Baugenossenschaften, nur sechs Prozent gehören Privatvermietern. Eine der größten Aufgaben für alle Immobilienbesitzer in den Niederlanden wird in den kommenden Jahren die Umsetzung der Energiewende sein. Für den Bestandbau besteht daher ein großer Bedarf an energetischen Sanierungsmaßnahmen.

Infrastrukturbau

Die Infrastruktur in den Niederlanden gilt als die beste Europas und die viertbeste der Wert. Dafür investiert die öffentliche Hand kräftig. Allein in diesem Jahr werden mehr als sieben Milliarden Euro aus der Staatskasse für den Bau, das Management und die Instandhaltung der Verkehrswege investiert. Zusätzlich werden in den kommenden zwölf Jahren rund 1.000 Kilometer Straßen neu gebaut. Deutsche Infrastruktur- und Tiefbaubetriebe können von der hohen Nachfrage im Nachbarland profitieren.

Gewerbebau

Der niederländische Gewerbebau erholt sich. Da die Wirtschaft in den Niederlanden seit fünf Jahren kontinuierlich wächst, ist die Kapazität vieler Betriebe ausgelastet. Sie investieren deshalb in die Erweiterung ihrer Standorte. 2018 hatte der Gewerbebau einen Anteil von mehr als 21 Prozent am Gesamtumsatz der niederländischen Baubranche. Tendenz steigend: Im ersten Quartal 2019 gehörte der Branchenzweig zu den Wachstumstreibern für den gesamten Bausektor, wovon vor allem mittelständische Betriebe profitieren.

Stand: März 2021