Abseits der täglichen Kontroversen zeigt sich jedoch: In einigen Kernbereichen konnte die Regierung tatsächlich sichtbare Ergebnisse vorweisen. Die Wirtschaft entwickelte sich stabiler als vorher erwartet, Unternehmen profitieren von steuerlichen Entlastungen und Bürokratieabbau, und bei Infrastruktur sowie Wohnungsbau wurden zusätzliche Investitionen angestoßen. Auch in der Energie- und Klimapolitik setzte das Kabinett, entgegen der eigentlichen Erwartungen, auf Kontinuität und technologieoffene Lösungen, während gleichzeitig der Arbeitsmarkt durch gezielte Maßnahmen entlastet wurde.
Wirtschaft und Finanzen
Die niederländische Wirtschaft entwickelte sich stabiler als vorab prognostiziert. 2024 wuchs das Bruttoinlandsprodukt um rund 1 Prozent. Gleichzeitig blieb die Arbeitslosigkeit niedrig bei etwa 3,7 Prozent. Auch für Beschäftigte gab es gute Nachrichten: Die Löhne stiegen stärker als die Inflation, wodurch die Kaufkraft um mehr als 3,5 Prozent zunahm.
Für viele Unternehmen bedeuteten Entlastungen bei der Energiesteuer eine spürbare Kostenreduktion. Zudem arbeitet man noch immer an einem spürbaren Abbau der Bürokratie. Bis 2025 sollen in ausgewählten Branchen bis zu einem Fünftel der Vorschriften gestrichen werden. Eine große Entlastung von vor allem kleinere Betriebe.
Innovation und Standortpolitik
Um die internationale Wettbewerbsfähigkeit des Landes zu stärken, stockte die Regierung das Budget der staatlichen Investitionsbank „Invest-NL“ um 900 Millionen Euro auf. Damit werden Zukunftsbranchen wie Halbleiter, Hightech und nachhaltige Energien unterstützt. Neue ausländische Handelsbüros und Kooperationen sollen niederländischen Firmen Türen in wichtige Wachstumsmärkte öffnen.
Auch im Bereich kritischer Rohstoffe wurde die Strategie der Vorgängerregierung ausgebaut, um Abhängigkeiten von einzelnen Ländern zu verringern. Damit bleiben die Niederlande auch unter der Regierung Schoof in geopolitisch unsicherer Zeit ein verlässlicher Innovations- und Produktionsstandort.
Infrastruktur
Die Regierung stellt mehr als 2,5 Milliarden bereit, um neue Wohngebiete mit Straßen und öffentlichem Verkehr zu erschließen. Ziel ist es aber auch lange aufgeschobene Projekte von Autobahnen bis zu Wasserstraßen wieder aufgenommen werden. Dabei stößt man jedoch auf die Probleme des Fachkräftemangels.
Für den Schienenverkehr laufen weiterhin Untersuchungen zur Lelylijn, sowie zur Nedersaksenlijn, für die das Kabinett in der Voorjaarsnota 2025 1,9 Mrd. € umgeschichtet hat. Zur kurzfristigen Entlastung des Straßenverkehrs hat das Ministerium zudem rund 290 Mio. € aus Restbudgets pausierter MIRT-Projekte für kleine Durchströmungs-Maßnahmen reserviert (z. B. zusätzliche Fahrspuren, Knotenpunkt-/Ampel-Optimierungen).
Klima und Energie
Entgegen den Erwartungen hält die Regierung an den Emissionszielen für 2030 fest. Gleichzeitig beschloss man einen neuen Meilenstein der Energiepolitik: Vier zusätzliche Kernkraftwerke sollen entstehen, wofür rund 9,5 Milliarden Euro bereitstehen.
Die Förderung von erneuerbaren Energien, vor allem Offshore-Windparks, laufen weiter. Der Netzausbau soll zwar beschleunigt werden, doch die Realität bremst: Die Warteliste für Unternehmens-Anschlüsse ist zuletzt auf rund 14.000 gestiegen. Ministerin Sophie Hermans spricht von fehlenden ‘einfachen Lösungen’ – örtlich werden zu Spitzenzeiten sogar Gasgeneratoren eingesetzt, bis Ausbaumaßnahmen greifen. Parallel sorgt die angekündigte Staatshilfe von bis zu 2 Mrd. € für die Dekarbonisierung von Tata Steel (insgesamt 4–6,5 Mrd. € Investitionen) für kontroverse Debatten in der Fachwelt.
Förderprogramme für Wärmepumpen und Solaranlagen, insbesondere für Haushalte mit niedrigem Einkommen, laufen weiter, müssen aber durch den beschleunigten Netzausbau flankiert werden, damit sie ihre Wirkung entfalten.
Bemerkenswert ist auch, dass die Koalition die ursprünglich vorgesehene Anhebung des CO₂-Preises für die Industrie gestrichen hat. Besonders energieintensiven Betrieben kommt das zugute. Damit will die Regierung verhindern, dass energieintensive Betriebe im internationalen Wettbewerb benachteiligt werden.
Die Regierung treibt eine EU-weit abgestimmte Kostenverteilung voran: Sie unterstützt ein EU-Klimaziel für 2040, stärkt den EU-Emissionshandel, den neuen Handel für Wärme/Verkehr und den CO₂-Grenzausgleich und erarbeitet den niederländischen Sozialen Klimaplan für den EU-Sozialklimafonds. Auf nationaler Ebene wurde die geplante Erhöhung der CO₂-Industrieabgabe zurückgenommen, um Doppelbelastungen zum EU-ETS zu vermeiden.
Arbeitsmarkt und Migration
Der niederländische Arbeitsmarkt ist weiterhin angespannt, weil viele Stellen unbesetzt bleiben. Das mitte-rechts Kabinett setzt mit Fachkräftequalifizierung und bessere Arbeitsbedingungen, darauf mehr Menschen im Inland zu mobilisieren.
Der Regierung ist es gelungen, Asylbewerbern einen schnelleren Zugang zum Arbeitsmarkt zu ermöglichen. Ein Schritt, der nicht nur die Integration beschleunigt, sondern auch bestehende Engpässe in Branchen wie Logistik und Gastronomie abmildern soll.
Digitalisierung
Unter dem Schlagwort ‚Nederlandse Digitaliseringsstrategie‘ hat Den Haag die Digitalstrategie erneuert und den Ausbau kombinierter Digital-/Vor-Ort-Dienste gestartet. Die Erreichbarkeit verbessert sich, ist aber noch nicht überall am Ziel.
Eine Stärkung gab es auch im Bereich Cyberkriminalität: Mit Blick auf zunehmende Hackerangriffe werden Behörden und kritische Infrastrukturen besser geschützt. Gleichzeitig setzt die Regierung auf mehr digitale Souveränität und europäische Kooperation in Schlüsseltechnologien wie KI und Halbleitern.
Wohnungsbau
Auch beim ewigen Thema des Wohnungsmangels, hatte die Regierung Schoof sich ein ehrgeiziges Ziel gesetzt: 100.000 neue Wohnungen pro Jahr. Dafür wurden rund 5 Milliarden Euro an Fördergeldern bereitgestellt, zusätzlich zu Mitteln für die Erschließung der Baugebiete.
Neu ist dabei ein Finanzierungsmodell, das Kommunen direkt für jede fertiggestellte Wohnung belohnt und nicht nur Planungen. Der Ansatz soll Bauprojekte beschleunigen und Planungsverfahren verkürzen. Auch Investoren erhalten Anreize, insbesondere im Bereich bezahlbarer Mietwohnungen. Erleichterungen bei Bauvorschriften sollen Umnutzungen von Büros oder das serielle Bauen beschleunigen. Erste Zahlen zeigen, dass die Bautätigkeit tatsächlich wieder zunimmt.
Sicherheit und Außenpolitik
Die Bekämpfung der organisierten Kriminalität erhielt zusätzliche Mittel, insbesondere für digitale Ermittlungen. Auch die Unterstützung der Ukraine wurde fortgeführt und teilweise verstärkt.
Was vom Kabinett Schoof bleibt
Bisher konnte das Kabinett Schoof trotz einer Amtszeit von etwas mehr als einem Jahr merkbare Fortschritte erzielen. Zentrale Herausforderungen, von Wohnungsbau über Klimapolitik bis zur Arbeitsmarktknappheit, wurden vor allem mit Pragmatismus und neuen Ideen angepackt. Zahlreiche Gesetzesinitiativen wurden gestartet, von denen einige, etwa im Asylbereich, aufgrund des vorzeitigen Regierungsabbruchs zwar noch nicht abgeschlossen sind, aber weiterverfolgt werden können.
Für die deutsch-niederländische Wirtschaft sind die verlässliche Finanzpolitik, Investitionen in Infrastruktur und Digitalisierung sowie das Festhalten an Klimazielen bei gleichzeitiger Entlastung der Unternehmen positive Signale.
Trotz anhaltender Kontroversen kann die Regierung Schoof auf eine Reihe konkreter Fortschritte verweisen. Dies verdeutlicht, dass man mit konstruktiver Sacharbeit, in schwierigen politischen Konstellationen Früchte tragen kann. International setzte die Regierung ein Zeichen als Gastgeber beim historischen NATO-Gipfel in Den Haag 2025, wo die Niederlande als verlässlicher Partner auftraten und höhere Verteidigungsausgaben zusagten.
Bild: Valerie Kuypers (Rijksoverheid)