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Kommentar: Familienunternehmen sind das Rückgrat Europas - Zeit für eine neue Wertschätzung

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Die wirtschaftliche Zukunft Europas wird nicht durch Verordnungen, Vorschriften und Bürokratie entschieden, sie wird in den Werkshallen, Fabriken und Büroräumen der Familienunternehmen geformt – sowohl in Deutschland als auch in den Niederlanden. Dort, wo Unternehmerinnen und Unternehmer mit Weitsicht, Verantwortung und Mut handeln. Gerade in Deutschland sind es die Familienbetriebe, die den Mittelstand prägen und damit einen wesentlichen Beitrag zu Stabilität und gesellschaftlichem Zusammenhalt leisten. Ein Kommentar von Marie-Christine Ostermann.

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Mit rund 90 Prozent aller Unternehmen in Deutschland stellen Familienunternehmen nicht nur die Mehrheit der Arbeitgeber, sondern auch das Fundament der regionalen Wirtschaftskraft dar. Sie sind tief in ihren Heimatregionen verwurzelt, denken in Generationen statt in Quartalen und handeln im Einklang mit ökologischer und sozialer Verantwortung. 

 

In Zeiten multipler Krisen – von der Corona-Pandemie über die Energiepreisschocks bis hin zu geopolitischen Unsicherheiten – haben sie bewiesen, wie belastbar und anpassungsfähig sie sind. Diese Widerstandsfähigkeit ist kein Zufall, sie ist aber auch nicht unendlich.

Ein Weckruf an Politik und Verwaltung

Es braucht nach drei Jahren Rezession und Stagnation in Deutschland eine entschlossene Entlastung. Gefragt nach den drei wichtigsten Maßnahmen, die Schwarz-Rot schnellstmöglich anpacken muss, damit die Unternehmen wieder mehr in Deutschland investieren und neue Arbeitsplätze aufbauen, gaben 77 Prozent unserer Mitglieder den Bürokratieabbau an.

 

44 Prozent fordern, die Lohnzusatzkosten bzw. Sozialversicherungsbeiträge herabzusetzen, und 42 Prozent, die Unternehmenssteuern auf breiter Front zu senken.

Bürokratieabbau mit echter Wirkung

Durch die überbordende Bürokratie entgehen Deutschland bis zu 146 Milliarden Euro pro Jahr an Wirtschaftsleistung. Das zeigt eine Studie des ifo Instituts. Das große Ausmaß der Kosten durch die Bürokratie verdeutlicht die Dringlichkeit des Reformbedarfs. Der Mittelstand braucht einfache, digitale und verständliche Prozesse – keine weiteren Berichtspflichten oder regulatorischen Mehrfachbelastungen. Die immense Bürokratie frisst ungeheuer viel Arbeitszeit, ohne dass dadurch mehr produziert oder ein Produkt schneller ausgeliefert wird.

Sanierung der Sozialkassen

Schon heute fließen rund 42 Prozent des Einkommens unserer Mitarbeiter in die Sozialkassen – Tendenz steigend. Ohne grundlegende Reformen wird dieser Trend ungebremst weitergehen und die 50-Prozent-Marke bald reißen.

 

Und dennoch wird Politik aktuell in erster Linie für diejenigen gemacht, die von den Sozialkassen leben. Hinten runterfallen hingegen diejenigen, die die Sozialkassen mit ihren Beiträgen füllen – die arbeitenden Menschen. Immer weiter anwachsende Sozialabgaben für Arbeitnehmer und Arbeitgeber werden billigend in Kauf genommen. Das ist fatal für den Standort Deutschland. Die Leistungsträger im Land müssen wieder etwas von ihrer Leistung haben, die sie Tag für Tag erbringen.

Steuerliche Wettbewerbsfähigkeit

Die steuerliche Belastung von Familienunternehmen liegt in Deutschland über dem OECD-Durchschnitt. Das gefährdet Investitionen und hemmt Wachstum. Eine mittelstandsfreundliche Reform der Unternehmensbesteuerung ist längst überfällig.

 

Irritiert haben wir Familienunternehmer auch in diesem Zusammenhang auf die neuesten Ankündigungen der EU-Kommission reagiert. Sie hat kürzlich Vorschläge für das mehrjährige EU-Budget der Jahre 2028 bis 2034 präsentiert – darunter auch die Idee einer Steuer für europäische Unternehmen.

 

Damit überschreitet die EU-Kommission klar ihre Kompetenzen und bestraft Unternehmen dafür, dass sie in Europa Jobs und Wertschöpfung schaffen und trotz aller bürokratischen Hürden den europäischen Binnenmarkt groß gemacht haben.

 

Egal, wie gering die Steuer oder Abgabe ausfallen würde und wer betroffen wäre, es ist ein fatales Signal zum Wirtschaftsexodus. Was nutzen mühsam in Deutschland verhandelte kleine Steuerentlastungen zur Standortverbesserung, wenn diese dann durch neue europäische Steuern zunichte gemacht werden?

Deutschland und Europa brauchen eine neue Haltung gegenüber Familienunternehmerinnen und -unternehmern

Ihr Beitrag zur Ausbildung junger Menschen, zur Schaffung qualifizierter Arbeitsplätze und zum sozialen Zusammenhalt ist immens. Sie tragen Verantwortung – für ihre Beschäftigten, ihre Regionen und ihre Nachfolgegenerationen. Sie verdienen eine Politik, die ihnen mit dem gleichen Verantwortungsbewusstsein begegnet.

TEXT: MARIE-CHRISTINE OSTERMANN

Marie-Christine Ostermann ist seit April 2023 Präsidentin des Verbandes DIE FAMILIENUNTERNEHMER. Die 45-Jährige ist Geschäftsführende Gesellschafterin beim Lebensmittelgroßhandel Rullko Großeinkauf in Hamm und leitet das Familienunternehmen seit 2006 in vierter Generation. Die Firma beschäftigt rund 200 Mitarbeiter und verzeichnete 2022 einen Umsatz von etwa 82 Millionen Euro. Darüber hinaus war und ist Ostermann als Aufsichtsratsmitglied in namhaften Unternehmen tätig.

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