Darüber sprechen wir mit Kevin Zuidhof, Inhaber der Public-Affairs-Agentur IvCB, der uns einen Blick hinter die politischen Kulissen gibt und die wichtigsten Erkenntnisse und Entwicklungen rund um Prinsjesdag 2025 einordnet.
Inwieweit beeinflusst der Prinsjesdag 2025 tatsächlich die Wirtschaftspolitik für das kommende Jahr? Ende Oktober finden Wahlen statt…
Der Einfluss ist in diesem Jahr begrenzt. Es handelt sich um den zweiten – und höchstwahrscheinlich letzten – Haushalt des Kabinetts Schoof, entstanden in einer beispiellosen politischen Krise. Das Kabinett zerbrach bereits im Juni, als die PVV die Koalition verließ, und verlor dazu im August alle NSC-Minister. Übrig geblieben ist ein Übergangskabinett aus VVD und BBB mit lediglich 32 Sitzen im Parlament. Vor diesem Hintergrund wurde der Haushalt 2025 bewusst ohne größere politische Akzente gestaltet.
Hinzu kommt, dass die Einzelhaushalte der Ministerien erst nach den Wahlen beraten werden. Dies spiegelt sich auch im Haushalt wider, der von der unmittelbar bevorstehenden Wahl geprägt ist: die Verlängerung der Kraftstoffsteuerermäßigung, die Erhöhung der Arbeitnehmerfreibeträge, 2,6 Mrd. Euro für die Stickstoffpolitik und knapp eine halbe Milliarde Euro für den Tech-Sektor.
Minister Heinen spricht in seinem Vorwort von einem „Wendepunkt“ und betont die Notwendigkeit der Zusammenarbeit – national wie europäisch –, um den Wohlstand zu sichern. Die konkrete Ausgestaltung hängt nun jedoch maßgeblich von den Wahlen am 29. Oktober und der anschließenden Regierungsbildung ab.
Was ist Ihrer Meinung nach die wichtigste Botschaft des diesjährigen Prinsjesdag für Unternehmen?
Unternehmen müssen sich auf höhere Belastungen einstellen – vor allem bei Arbeit (leichte Erhöhung des ersten Steuerfreibetrags, Versschärfung der Regelung für internationale Spitzenkräfte) und beim Fremdkapital (stärkere Besteuerung von Private-Equity-Strukturen). Gleichzeitig gibt es positive Signale: Die Kaufkraft steigt 2026 im Durchschnitt um 1,3 %, bei Rentnern sogar um 1,5 %. Das stützt den Binnenkonsum und ist erfreulich für Einzelhandel, Gastronomie und Tourismus.
Die Kernbotschaft ist also zweiseitig: Einerseits muss man sich auf strukturelle Belastungen und zukünftige Unsicherheiten vorbereiten, andererseits kann man den temporäre Kaufkraftimpuls und die Investitionspakete u. a. in Stickstoff, Tech und Infrastruktur gezielt versuchen zu nutzen.
Gab es konkrete Ankündigungen, die für das Netzwerk der Deutsch-Niederländischen Handelskammer, also für deutsche Unternehmen, die in den Niederlanden tätig sind, und niederländische Unternehmen, die in Deutschland tätig sind, besonders relevant sind?
Auf jeden Fall. Neben bestehenden Vereinbarungen gibt es neue Maßnahmen mit hoher Bedeutung für deutsch-niederländische Unternehmen. Ein gutes Beispiel ist das neue Doppelbesteuerungsabkommen, das ab 2026 gilt: Grenzpendler können bis zu 34 Tage pro Jahr im Homeoffice arbeiten, ohne dass dafür eine Doppelbesteuerung anfällt. Das macht hybride Arbeitsmodelle über die Grenze deutlich attraktiver und schafft Planungssicherheit.
Zudem enthält der Haushalt direkte Entlastungen: Die verlängerte Kraftstoffsteuerermäßigung spart rund 20 Cent je Liter – wichtig für Transport und Logistik, die für den Handel zwischen Deutschland und den Niederlanden zentral sind. Auch der Stickstofffonds über 2,6 Mrd. Euro eröffnet Chancen, etwa für deutsche Anbieter in Landwirtschaftsinnovation, Natursanierung und Bautechnologie.
Hinzu kommen rund eine halbe Milliarde Euro für den Tech-Sektor, was Kooperationen in Digitalisierung, KI und Hightech Rückenwind gibt. Da die nationale CO₂-Abgabe für die Industrie de facto außer Kraft gesetzt wird, erhalten energieintensive Unternehmen beiderseits der Grenze vorübergehend eine Atempause.
Obendrein investiert das Kabinett kräftig in Infrastruktur und Güterverkehr: 5,6 Mrd. Euro fließen in die Instandhaltung von Straßen, Schiene und Wasserwegen, 79 Mio. Euro in effizientere Logistik über das Impulsprogramm Güterverkehr. Für die Wasserqualität sind 275 Mio. Euro eingeplant – ein Bereich, in dem sich deutsche und niederländische Technologie- und Umweltinnovationen gut ergänzen.
Positiv ist auch, dass der Mehrwertsteuersatz für Kultur und Sport bei 9 % bleibt – wichtig für Tourismus und Events, die stark von deutschen Besuchern abhängig sind. Kurz: Trotz dieser Übergangsphase bietet der Haushalt konkrete Ansatzpunkte für deutsch-niederländische Zusammenarbeit.
Sehen Sie aufgrund der angekündigten politischen Maßnahmen neue Chancen für die Unternehmen in beiden Ländern?
Ja, absolut. Für deutsche Investoren liegen Chancen in den Nachhaltigkeitsprogrammen, für die das Kabinett nun Milliarden bereitstellt – etwa durch den Stickstofffonds. Gefragt sind innovative Agrartechnologien, Renaturierung sowie Prozessinnovationen – Bereiche, in denen deutsche Unternehmen stark sind. Die zusätzlichen Tech-Investitionen machen die Niederlande zudem attraktiv für deutsches Hightech-Kapital.
Für niederländische KMU sehe ich Chancen in der Zusammenarbeit mit deutschen Partnern, z. B. bei nachhaltiger Landwirtschaft, smarten Logistiksystemen und Digitalisierung. Zugleich sinkt die Bürokratielast: Die Pflicht zur Kilometererfassung greift erst ab 250 Beschäftigten. Das macht die Niederlande attraktiver für Investitionen in Logistik und Mobilität. Das neue Grenzarbeits-Steuerabkommen, das Homeoffice bis 34 Tage ohne steuerliche Verschiebungen erlaubt, bietet handfeste Vorteile für flexible grenzüberschreitende Zusammenarbeit.
Gerade weil dieser Haushalt als Übergang „politikarm“ ist, stechen bestehende Investitionsprogramme wie das Nationale Wachstumsfonds und die Technologiepakete hervor. Dort können Unternehmen direkt ansetzen – mit großem Potenzial, Innovationen zu beschleunigen und grenzüberschreitendes Wachstum zu realisieren.
Mit den Wahlen am 29. Oktober und der danach erst anschließenden Haushaltsberatung bleibt vieles unsicher. Was sollten Unternehmen in den kommenden Monaten konkret tun, um sich auf Wahlen, Regierungsbildung und die Abstimmungen über das Steuerpaket vorzubereiten?
Unternehmen sollten vor allem flexibel bleiben und sich auf verschiedene Szenarien vorbereiten. Der Haushalt wird erst nach den Wahlen verabschiedet – eine neu gewählte Tweede Kamer kann also noch jegliche Änderungen vornehmen. Damit werden die nächsten drei Monate entscheidend: die Wahlen am 29. Oktober, die Koalitionsverhandlungen und die Abstimmungen im Dezember über neue Steuerpläne.
Zugleich warnt der Raad van State, dass Lasten in die Zukunft verschoben werden. Ein nächstes Kabinett könnte daher noch weitere zusätzliche Einsparungen oder Steuererhöhungen beschließen. Unternehmen sollten nicht abwarten, sondern aktiv in Interessenvertretung, Beziehungsaufbau zu Abgeordneten und möglichen Koalitionspartnern investieren – und steuer- wie arbeitsmarktpolitische Maßnahmen frühzeitig analysieren. Das entscheidet darüber, ob man später einen Vorsprung hat oder nur hinterherläuft.
In welchen Bereichen (z. B. Digitalisierung, Energie, Arbeitsmarkt) setzt die niederländische Regierung derzeit klare Prioritäten und worauf sollte sich die neue Regierung Ihrer Meinung nach stärker konzentrieren?
Der aktuelle Haushaltsplan zeigt, dass sich die scheidende Regierung vor allem auf Kaufkraft, die Stickstoffproblematik und sichtbare Akzente wie fast eine halbe Milliarde für den Technologiesektor konzentriert. Große Entscheidungen, etwa über Verteidigung, werden an das nächste Kabinett überlassen. Gleichzeitig wurden wichtige Entscheidungen für die Infrastruktur getroffen: 5,6 Mrd. Euro für die Instandhaltung von Straßen, Schienen und Wasserwegen, die Streichung der ÖPNV-Kürzung für 2026 sowie 79 Mio. Euro für das Impulsprogramm Güterverkehr. Die Regulierungslast für KMU sinkt, weil die Kilometerregistrierung erst ab 250 Mitarbeitenden gilt.
Der Nationale Wachstumsfonds investiert weiter in Innovation – von photonischen Chips bis zu neuen Krebstherapien – und es gibt erneut Förderung für Nordsee-Windparks, womit die Energiewende als Priorität bestätigt wird. Am Arbeitsmarkt wurden deutliche Schritte beschlossen: schnelle Anhebung des Mindestlohns für Jugendliche, Senkung von Vergünstigungen für Unterkünfte sowie eine Verschärfung der 30-%-Regelung für hochqualifizierte Fachkräfte aus dem Ausland.
Für die Zukunft erwarte ich, dass eine neue Regierung klarere Prioritäten setzen muss: Bei der Energiewende (Wind auf See, Wasserstoff, CCS), ebenso bei Klimaanpassung und Hochwasserschutz, wo Milliardensummen unvermeidlich sind. Auch der Arbeitsmarkt – mit Lohnkosten und Fachkräfte-Politik als politisch sensiblen Themen – verlangt klare Entscheidungen. Unternehmen, die sich jetzt darauf vorbereiten, werden die Nase vorn haben.
Und zum Schluss: Ihr persönlicher Eindruck – ist der Prinsjesdag eher Show oder ein relevanter Tag?
Normalerweise ist der Prinsjesdag eine Mischung aus Show und politischen Inhalt, doch in diesem Jahr überwiegt klar die Show. Große Entscheidungen wurden an das nächstes Kabinett überlassen. Gleichwohl gibt es durchaus Maßnahmen, die Unternehmen direkt betreffen. Für Unternehmen liegt der eigentliche Inhalt in diesem Jahr weniger in dem Haushaltsplan selbst, sondern viel mehr in der Vorbereitung: Wer jetzt auf Kaufkraftentwicklung und steuerliche Änderungen reagiert, positioniert sich optimal – mit Blick auf die Wahlen am 29. Oktober und die anschließende Regierungsbildung. Der Prinsjesdag hat in diesem Jahr vor allem eine symbolische Funktion – die Wirkung wird in den Monaten danach spürbar.