Die wirtschaftlichen Beziehungen zwischen Deutschland und den Niederlanden sind seit Jahrzehnten eng. Deutschland ist der wichtigste Handelspartner der Niederlande, die Niederlande sind für Deutschland der drittgrößte Exportmarkt. 2024 lag das Handelsvolumen beider Ländern bei 205 Milliarden Euro. Besonders im Hightech-Sektor arbeiten die beiden Länder eng zusammen – Zeiss und Trumpf sind zentrale Innovationspartner von ASML.
Die Niederlande sind dank Unternehmen wie ASML, dessen Lithografiemaschinen für die weltweite Chipproduktion unverzichtbar sind, ein führender Akteur in der Halbleiterindustrie. Gleichzeitig arbeiten die deutschen Chipkonzerne Bosch und Infineon mit NXP Semiconductors und TSMC an einer neuen Chipfabrik in Dresden. Mit einer Investition von über 10 Milliarden Euro, unterstützt von der deutschen Regierung, wird die Fabrik jährlich Milliarden Chips produzieren – genau die, die für die europäische Industrie entscheidend sind. Ein Schritt hin zur strategischen Autonomie Europas.
Der Automobilsektor erlebt eine Revolution. Elektrifizierung, Vernetzung und assistierende Fahrsysteme erfordern zunehmend spezialisierte Chips. In jedem weltweit produzierten Auto sind durchschnittlich eintausend Chips verbaut, in Elektrofahrzeugen bis zu siebentausend. Ein Beispiel für einen Chip von elementarer Bedeutung ist der Radarchip von NXP, der in den 20 führenden Automarken zum Einsatz kommt. Mit derartigen Chips können Autos den Abstand zum vorausfahrenden Fahrzeug halten und selbstständig eine Notbremsung durchführen.
Der Markt für Automobilchips ist nach künstlicher Intelligenz der zweitgrößte Wachstumsmarkt der kommenden fünf bis acht Jahre. Da sich die gesamte Chipindustrie laut einer McKinsey-Studie in diesem Zeitraum voraussichtlich verdoppeln wird, bietet sich hier eine enorme Chance für die deutsch-niederländische Zusammenarbeit: Deutschland bringt herausragende Expertise im Automobilsektor ein, während die Niederlande führende Technologien in der Chipproduktion bieten.
Dennoch steht Europa unter Druck. Weniger als 10 % der weltweiten Chipproduktion stammt aus Europa, während 75 % der Chips in Asien produziert werden. Um diese Abhängigkeit zu verringern, haben die EU Mitgliedstaaten, darunter Deutschland und die Niederlande, den „European Chips Act“ ins Leben gerufen. Mit einem Budget von 43 Milliarden Euro an Subventionen und Investitionen soll die europäische Chipproduktion bis 2030 auf 20 % verdoppelt werden. Dieser Schritt sendet eine klare Botschaft: Nur durch Kooperation und Koordination kann Europa mit Global Playern wie den USA und China mithalten, die ebenfalls massiv in den Chipsektor investieren. 2022 stellte die US-Regierung mit dem „CHIPS and Science Act“ 52 Milliarden Dollar für die Chipindustrie bereit. Zwischen 2014 und 2024 investierte China schätzungsweise 150 Milliarden Dollar in diesen Sektor. Vor diesem Hintergrund ist es entscheidend, dass die Niederlande und Deutschland ihr Fachwissen bündeln, um ihre führende Position in Europa zu sichern
Neben technologischen Innovationen stehen beide Länder vor einer gemeinsamen Herausforderung: der Nachhaltigkeit. Deutschland und die Niederlande verfolgen ehrgeizige Klimaziele, die einen Wandel hin zu nachhaltiger Mobilität und höherer Energieeffizienz erfordern. Chips spielen eine Schlüsselrolle bei der Reduzierung des Energieverbrauchs, sei es in Elektrofahrzeugen, intelligenten Netzen oder der Industrie 4.0. Durch verstärkte Zusammenarbeit können die Niederlande und Deutschland ihren technologischen Vorsprung nutzen, um auch in Sachen Nachhaltigkeit führend zu bleiben.
Die Zusammenarbeit zwischen Deutschland und den Niederlanden in der Halbleiter- und Automobilindustrie ist nicht nur eine wirtschaftliche Notwendigkeit, sondern auch eine strategische Entscheidung für die Zukunft Europas. Indem sie sich auf Innovation, Nachhaltigkeit und Talententwicklung konzentrieren, können beide Länder ihre Wettbewerbsposition stärken und zu einem stärkeren, unabhängigeren Europa beitragen. Das Fundament für den Erfolg ist gelegt – nun gilt es, auf dieser Zusammenarbeit aufzubauen und die technologische Zukunft Europas zu bewahren.
Text Maurice Geraets