Kündigung von Dauerschuldverhältnissen im niederländischen Recht
Im niederländischen Recht gilt grundsätzlich, dass befristete Dauerschuldverhältnisse nur dann vorzeitig gekündigt werden können, wenn dies ausdrücklich vereinbart wurde. Bei unbefristeten Verträgen ist die Kündigung grundsätzlich jederzeit möglich, solange keine gesetzlichen oder vertraglichen Regelungen dem widersprechen. Dauerschuldverhältnisse, wie Franchise- oder Lieferverträge, sind ein zentraler Bestandteil der niederländischen Vertragslandschaft. Für die Kündigung solcher Verträge gibt es keine einheitliche gesetzliche Regelung, weshalb die Rechtsprechung des Hoge Raad (des höchsten niederländischen Gerichts) eine entscheidende Rolle spielt.
Rechtsprechung des Hoge Raad: Kündigung auch ohne vertragliche Regelung?
In Ermangelung spezifischer gesetzlicher Vorschriften hat der Hoge Raad entschieden, dass Dauerschuldverhältnisse grundsätzlich kündbar sind, auch wenn keine vertragliche Kündigungsklausel besteht. Die Kündigung muss jedoch im Einklang mit den im niederländischen Recht wichtigen Grundsätzen von Redlichkeit und Billigkeit ("redelijkheid en billijkheid") erfolgen. Das bedeutet, dass die Kündigung nicht willkürlich und ohne Rücksicht auf die Auswirkungen auf die andere Partei durchgeführt werden darf. In bestimmten Fällen kann eine längere (als die vereinbarte) Kündigungsfrist oder sogar eine (zusätzliche) Entschädigungspflicht erforderlich sein, insbesondere wenn eine Partei erhebliche Investitionen in die Zusammenarbeit getätigt hat.
Praxisbeispiel: Leen Bakker und die Folgen einer Vertragskündigung
Ein aktuelles Beispiel aus der niederländischen Rechtsprechung ist der Fall von Leen Bakker, einem bekannten niederländischen Möbelunternehmen. Leen Bakker arbeitete seit vielen Jahren mit einem Franchisenehmer zusammen, der ein Geschäft unter dem Markennamen des Unternehmens betrieb. 2020 entschied sich Leen Bakker aus wirtschaftlichen Gründen, den Franchisevertrag zu beenden. Obwohl eine längere Kündigungsfrist gewährt wurde als ursprünglich vertraglich vereinbart, wurde keine Entschädigung angeboten. Der Franchisenehmer hielt dies für unrechtmäßig und reichte eine Schadensersatzklage beim Gericht ein.
Nachdem der Fall verschiedene gerichtliche Instanzen durchlaufen hatte, stellte der Hoge Raad im Dezember 2024 fest, dass eine Kündigung des Franchisevertrags nicht ohne weiteres zulässig ist. Der Hoge Raad bestätigte das Urteil des Gerichtshofes (der niedrigeren Instanz), dass die Kündigung des Franchisevertrags ohne ein Angebot zur Schadensersatzleistung unakzeptabel war, angesichts der langjährigen Zusammenarbeit, der geweckten Erwartungen und der abhängigen Position des Franchisenehmers.
Fazit: Worauf Unternehmen bei der Kündigung von Dauerschuldverhältnissen achten sollten
Wer einen Dauerschuldvertrag kündigen möchte, sollte nicht nur den Vertrag, sondern auch die weiteren Umstände und den breiteren Kontext berücksichtigen. Das niederländische Recht gewährt dabei keinen uneingeschränkten Spielraum. Unternehmen sollten daher klare Kündigungsregelungen in ihren Verträgen festlegen, um rechtliche Konflikte zu vermeiden und eine faire Behandlung der Parteien zu gewährleisten.
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