Die Anlage eFuels Rotterdam soll 2030 in Betrieb gehen. Sie ist ein Gemeinschaftsprojekt des Tanklagerspezialisten Advario und Power2X, einem Consulting- und Engineeringunternehmen für die Energiewende und wird etwa 1,5 Milliarden Euro kosten. Ein wichtiger Geldgeber ist der kanadische Pensionfonds CPP Investments, der mehrheitlich an Power2X beteiligt ist. Die Prozesstechnik wird Honeywell liefern. Die Entwicklung zum internationalen Knotenpunkt für die Produktion und Lagerung von nachhaltigem Flugtreibstoff bedeutet für den Hafen Rotterdam einen wichtigen Schritt im Transformationsprozess: „Dieses Projekt von Advario und Power2X ist ein gutes Beispiel für die erfolgreiche Umstellung eines Standorts im Rotterdamer Hafen von fossilen Rohstoffen auf eine grüne, nachhaltige Produktion“, sagt Boudewijn Siemons, CEO des Port of Rotterdam.
Der Produktionsprozess beginnt allerdings nicht in Rotterdam, sondern in Ländern mit einem großen Angebot an Sonnen- Wind- oder Wasserenergie zur Stromerzeugung. Dort wird „grüner Wasserstoff“ hergestellt: Wasser wird per Elektrolyse aus erneuerbaren Energien in Sauerstoff und Wasserstoff aufgespalten. Dann wird aus dem Wasserstoff Methanol hergestellt, indem biogener Kohlenstoff hinzugefügt wird, also Kohlenstoff, der nicht aus fossilen Energieträgern stammt, sondern zum Beispiel aus nachwachsenden Pflanzen. Das Methanol wird dann nach Rotterdam transportiert. Erst dort wird daraus synthetisches Kerosin (auch E-Kerosin, e-SAF – wobei SAF für sustainable aviation fuel steht – oder PtL – Power to Liquid – genannt) hergestellt, indem weiterer nicht fossiler Kohlenstoff sowie lokal gewonnener grüner Wasserstoff hinzugefügt wird. Wie in einer klassischen Raffinerie entstehen dabei weitere Produkte, vor allem Kraftstoffe. Von Rotterdam aus kann das E-Kerosin anschließend per Schiff, Schiene und Pipelines zu den verschiedenen Flughäfen geleitet werden – auch nach Deutschland.
Die Luftfahrt erzeugt gut 3 % des weltweiten CO2-Ausstoßes (Straßenverkehr: knapp 18 %). Die EU verpflichtet Fluggesellschaften in der Verordnung „ReFuelEUAviation“, ab 2025 nachhaltiges, also nicht-fossiles Kerosin (SAF ohne das „e“ von e-SAF) beizumischen: Ab 2025 sollen das mindestens 2%, 2050 dann 70% sein. Es wird z.B. aus Frittierfett oder Biomasse gewonnen. Ab 2030 dann muss SAF auch e-SAF (PtL oder E-Kerosin) enthalten, dessen Klimabilanz noch besser ist, und zwar zunächst 1,2%, ab 2050 dann 35%.
Bei Aufnahme des Betriebs 2030 wird eFuels Rotterdam auf einen Schlag 40 Prozent des benötigten E-Kerosins in ganz Europa liefern: 250.000 Tonnen jährlich. Das ist genug für 7000 Flüge der einfachen Strecke von Amsterdam nach New York. Weil auch die Beimisch-Pflicht steigt, wird dieser Prozentsatz im Laufe der Jahre aber abnehmen; die Produktion auf dem 26 Hektar großen Gelände kann kaum ausgeweitet werden. Auf dem Terrain produzierte vorher die Aluchemie, in deren Erbpachtvertrag dann der Tanklagerbetreiber Advario, eine Ausgliederung des deutschen Tanklagerunternehmens Oiltanking, einstieg.
Occo Roelofsen, Gründer und CEO von Power2X, erklärte: „Der strategische Standort und das innovative Geschäftsmodell ermöglichen es uns, international wettbewerbsfähiges E-Kerosin im Herzen Europas zu produzieren. Es unterstreicht unsere führende Rolle bei der Dekarbonisierung und der Entwicklung nachhaltiger Lösungen für die Zukunft.“
In Rotterdam gibt es weitere Produzenten nachhaltiger Kraftstoffe wie das finnische Unternehmen Neste auf der Zweiten Maasebene. Derzeit decken die Anlagen in Rotterdam 24 % des europäischen Bedarfs an biogenem SAF. Die europäische Luftfahrtbehörde EASA geht in ihrem SAF-Report vom Dezember 2024 davon aus, dass 2030 vor allem biogenes SAF verfügbar sein wird. Sie ist skeptisch, dass im Jahr 2030 nennenswerte Mengen e-SAF am Markt verfügbar sein werden.
In Deutschland sollten erste PtL-Projekte für den Markthochlauf aus dem Klimatransformationsfond (KTF) mit mindestens zwei Milliarden Euro finanziert werden. Dem setzte das Bundesverfassungsgericht aber im November 2023 einen Riegel vor, als es die Umwidmung von Corona-Hilfen für den KTF für verfassungswidrig erklärte. Die Unterstützung für Großprojekte wurde daraufhin aufgekündigt. Nennenswerte staatliche Unterstützung für den Markthochlauf der PtL-Produktion gibt es vor allem außerhalb von Europa, beklagt der Bundesverband der Deutschen Luftverkehrswirtschaft (BDL).
Treibstoffkosten machen bis zu einem Drittel des Flugpreises aus. Fossiles Kerosin kostete 2023 durchschnittlich 816 Euro pro Tonne, biogene Kraftstoffe waren mit 2768 Euro pro Tonne mehr als dreimal so teuer, wie die EASA ermittelt hat. Da PtL-Kraftstoffe bisher noch nicht verfügbar sind, hat die EASA ihre Kosten geschätzt: auf durchschnittlich 7.500 Euro pro Tonne. E-Kerosin ist also eine Herausforderung, aber ein Projekt von dieser Tragweite kann nicht nur der Luftfahrt weiterhelfen, sondern auch dem Standort Rotterdam.
Text Claas Möller