Am 29. Oktober wählen die Niederländer ein neues Parlament. Der Wahlkampf hat in dieser Woche offiziell begonnen – und für deutsche Unternehmen mit Verbindungen in die Niederlande lohnt sich ein genauer Blick auf die wirtschaftspolitischen Ziele der Parteien. Denn die künftige Regierung wird wichtige Weichen stellen, die sich direkt auf grenzüberschreitende Zusammenarbeit, Investitionen und die Niederlande als Standort auswirken können. Ein kompakter Überblick über die wirtschaftspolitischen Schwerpunkte der wichtigsten niederländischen Parteien:
CDA – Innenpolitisch verbinden, außenpolitisch europäisch denken
Die christdemokratische CDA, die derzeit nicht der Regierungskoalition angehört, befindet sich seit einigen Wochen im Aufwind. Im vorhergegangen Kabinett unter Premierminister Mark Rutte (VVD) musste die Partei bei den vorgezogenen Wahlen im November 2023 noch ordentlich Federn lassen und hatte damals 10 Prozent der Stimmen eingebüßt. Die Wähler wanderten damals zu den neuen Parteien BBB und NSC. Mit 3,3% aller Wählerstimmen war die CDA im heutigen Kabinett unter Dick Schoof nicht mehr Teil der Regierung.
Das könnte sich ändern. Aktuellen Prognosen zufolge sind die Christdemokraten unter Spitzenkandidat Henri Bontenbal wieder im Aufwind und würden der aktuellen Wahlumfrage von 16% der Stimmen erhalten – und damit zu den Wahlgewinnern zählen.
Unter Bontenbal präsentiert sich die CDA als Partei des Anstands und der gesellschaftlichen Verantwortung. Im Zentrum stehen Familie, Zusammenhalt und Wehrhaftigkeit. „Populismus bekämpft man nicht mit Populismus, sondern mit einer besseren Story“, sagt Bopntenbal. Und schreckt auch vor unangenehmen Themen nicht zurück, zum Beispiel dem langsamen Abbau von Steuervorteilen. Konkret: In den Niederlanden kann man Hypothekenzinsen für Wohneigentum von der Steuer absetzen – mit den dadurch frei werdenden Finanzmitteln soll die Einkommensteuer gesenkt werden.
Ein weiterer politisch sensibler Schritt betrifft das Thema Stickstoff. Die CDA unterstützt den Plan, ab 20230 in Extremfällen Landwirten Genehmigungen zu entziehen. Außerdem soll der Stickstofffonds wieder eingeführt werden, um landwirtschaftlichen Betrieben dabei zu helfen, weniger Stickstoff auszustoßen.
Die hohen Investitionen in die Verteidigung und die Erfüllung der NATO-Norm stehen für die CDA nicht zur Debatte. Um diese finanzieren zu können, müsse jeder einen „Freiheitsbeitrag” leisten, entsprechend seiner Leistungsfähigkeit. „Das wird zwar nicht die gesamten Verteidigungsausgaben decken, aber so wird deutlich, dass wir für die Freiheit bezahlen müssen”, sagt Bontenbal.
Eurobonds, mit denen europäische Länder gemeinsame Schulden eingehen, sind aus diesem Grund ebenfalls kein Tabu für die CDA. Die niederländische Regierung hat sich bisher immer dagegen gewehrt.
GroenLinks/PvdA – Nachhaltigkeit mit sozialer Balance
Wohnungsnot bleibt auch diesmal im Wahlkampf eines der großen Themen. Das Bündnis aus Sozialdemokraten und Grünen Partij van de Arbeit/GroenLinks um Spitzenkandidat Frans Timmermanns, ehemaliger Vizepräsident der Europäischen Kommission, setzt Maßnahmen zur Bekämpfung der Wohnungsnot. Und sprach sich als erste für tiefgreifende Veränderungen wie Kürzungen bei der Hypothekenzinsabzugsfähigkeit aus, die innerhalb von acht bis zwölf Jahren abgeschafft werden soll. Die Regierung soll eine aktivere Rolle im Wohnungsbau spielen, beispielsweise durch den Kauf von Grundstücken, und neue Stadtviertel sollte auf Flächen entstehen, auf denen sich derzeit noch Flughäfen oder verfallene Industriegelände befinden.
Daneben greift das Bündnis auf klassische linke Themen zurück: vor allem eine gerechtere Verteilung des Wohlstands. Der Mindestlohn müsse „ordentlich“ steigen, und die Einkommensgrenzen für Sozialwohnungen so geändert werden, dass auch diejenigen mit mittlerem Einkommen Anspruch darauf haben. Wohnungsbaugesellschaften sollten stärker national reguliert werden und nicht gewinnorientiert geführt werden.
Weitere Punkte im Wahlprogramm sind das Verbot der Einleitung von Agrargiften mit PFAS und der Plan, keine öffentlichen Gelder für neue Kernkraftwerke bereitzustellen. Finanzmittel des Staats, die derzeit für vier neue Kernkraftwerke reserviert sind, müssten demnach in die Nachhaltigkeit von Häusern und Unternehmen fließen. Trotzdem will das Bündnis „Klimagerechtigkeit”: Auch Menschen mit geringem Einkommen müssen ihre Energierechnungen bezahlen können.
Aber wer soll das bezahlen? Die Kosten dafür müssen vor allem die Unternehmen tragen, die viele Schadstoffe ausstoßen, sowie Millionäre und Großinvestoren. Neben massiven Investitionen in Erneuerbare Energien, stärkere Regulierung von CO₂-Ausstoß und Umweltschutz bedeutet das Programm für Unternehmen möglicherweise höhere Standards und Berichtspflichten – aber auch Förderchancen für grüne Projekte.