Industrie und Hightech
Energie

So kann Solarfolie Firmen engergieautark machen

18.04.2019

Die Solarfolie von Heliatek ist nicht mal einen Millimeter hoch und damit revolutionär. Warum? Sie kann Sonnenenergie fast überall einfangen!

Nicht mal einen Millimeter ist sie hoch. Flacher als ein Ein-Cent-Stück. Doch die Solarfolie von Heliatek fängt Sonnenenergie überall dort ein, wo herkömmliche Anlagen zu schwer sind: an Häuserwänden, Fenstern, Industriehallen und gewölbten Dachflächen.

Im Herbst hat das Dresdner Clean-Tech Unternehmen Heliatek dabei einen Weltrekord aufgestellt. Im Duisburger Hafen wurde die Fassade einer Industriehalle mit Solarfolie verkleidet. So entstand die bislang größte Fassadeninstallation mit organischer Photovoltaik (OPV). Auf einer Fläche von 185 Quadratmetern erzeugt sie so viel Strom, dass eine vierköpfige Familie ein Jahr lang damit aus käme. Und das an einer senkrechten Wand.

Saubere Energie für die Stadt der Zukunft

Das Potential der Technologie liegt auf der Hand: Die Städte von morgen könnten saubere Energie direkt dort erzeugen, wo sie benötigt wird: an Wohnhäusern, Bürogebäuden, Fabrikhallen oder auf den Straßen. Die CO2- Bilanz würde sich verbessern. Unternehmen könnten energieunabhängig werden. Voraussetzung ist allerdings eine effiziente Massenproduktion von großflächigen OPV-Folien.

Und genau daran arbeiten die 150 Mitarbeiter bei Heliatek in Dresden und Ulm. In einer vom Unternehmen entwickelten Vakuum-Verdampfungsanlage werden die Solarzellen, die später Licht in Strom verwandeln, bei niedrigsten Temperaturen auf Folie gedampft. Heliatek setzt für seine OPV-Folie kleine Kohlenstoffmoleküle ein. Diese Oligomere sind so klein, dass man sie nur mit einem Elektronenmikroskop sehen kann. „Diese Idee aus dem Labor in die Serienproduktion zu bringen, war anfangs die größte Herausforderung für das sechsköpfige Gründerteam von der Universität Ulm und der TU Dresden“, sagt Marketing Managerin Kathleen Bode.

2012, sechs Jahre nach Unternehmensstart, ist dieser Meilenstein erreicht: Kleine Serien der dünnen Solarfolie werden im eigenen Werk produziert. Mit OEM-Partnern realisiert Heliatek seitdem Pilotprojekte wie die Fassaden-Installation im Duisburger Hafen, um Erfahrungswerte über Lebensdauer, Temperaturverhalten, Installation und Handling zu sammeln. Mit dem französischen Energiekonzern ENGIE wurde zum Beispiel das Dach einer Schule in Rochelle mit Solarfolie aus der Dresdner Produktion ausgestattet. 500 Quadratmetern wurden in nur acht Stunden verlegt. So entstand die weltweit größte Dachinstallation mit OPV.

Großserien-Produktion für weltweite Nachfrage startet 2020

Mit der Pilotanlage produziert Heliatek derzeit nur geringe Mengen Solarfolie. Das reicht aber nicht, um die große Nachfrage vor allem von Baustoffunternehmen, dem Energiesektor und der Weiterverarbeitenden Industrie zu befriedigen. Deshalb geht das Unternehmen, zu dessen Investoren der Chemieriese BASF, der Technikkonzern Robert Bosch und das Energieunternehmen Innogy gehören, zurzeit den nächsten Meilenstein an: den Aufbau einer Großserien-Produktion. 2020 soll sie in Dresden an den Start gehen.

Nach dem Hochfahren der Anlage soll jährlich rund eine Million Quadratmeter Solarfolie gefertigt werden können. Für Heliatek eine gute Gelegenheit, sich noch weiter zu internationalisieren. „Nachfrage gibt es unter anderem aus Spanien, Italien, der Golfregion und Südostasien“, sagt Kathleen Bode. Auch die Niederlande könnten als Markt interessant werden. „Wegen der Nähe zu Deutschland und potenziellen Partnern.“

Immerhin gibt es inzwischen auch eine personelle Verbindung zum Königreich. Niederländer am Ruder des Deutschen Unternehmens Seit fünf Monaten steht mit Guido van Tartwijk ein Niederländer am Ruder von Heliatek. Der neue CEO ist theoretischer Physiker – mit sehr internationalem Background. So hat der 51-Jährige bereits die niederländische Niederlassung des amerikanischen Halbleiter-Spezialisten GenOA mitgegründet, die LED-Sparte von Philips in China als Vizepräsident und CEO geführt und war zuletzt Geschäftsführer der österreichischen Tridonic, Marktführerin für intelligente und effiziente Lichtlösungen.

Heliatek will führende Rolle in Sachen Nachhaltigkeit spielen

„Im Laufe meiner Karriere habe ich stets daran gearbeitet, bahnbrechende Innovationen so schnell wie möglich auf die globalen Märkte zu bringen“, sagt Guido van Tartwijk über sich selbst. Heliatek habe ihn angezogen, da die Technologie über echte „Game Changer“-Qualitäten verfüge. „Die Heraus forderungen sind zwar enorm, aber die Chance einen sinnvollen und signifikanten Einfluss auf die Energiegewinnung in den Städten von morgen zu haben, ist ebenso groß.“ Wichtigste Aufgabe für van Tartwijk ist nun, die strukturelle Veränderung und strategische Ausrichtung bei Heliatek zu verantworten: vom Entwickler zum globalen Vermarkter der OPV-Folie. Das Unternehmen will bei der Umsetzung einer nachhaltigen und karbonfreien Zukunft eine weltweit führende Rolle spielen.

Kathrin Brodherr, DNHK

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