Innovation

DeepL-CEO Jaroslaw Kutylowski über die Zukunft von KI und den Standort Europa

12.10.2023

Er ist der Gründer von Deutschlands einzigem, weltweit bekannten KI-Unternehmen – das in diesem Jahr zudem in die Riege der Einhörner aufgestiegen ist: Jaroslaw Kutylowski. Wir haben mit dem Gründer des Online-Übersetzers DeepL gesprochen. Über den Aufstieg des deutschen Start-ups, die nächsten Ziele und Europa als High-Tech-Standort.

Jaroslaw Kutylowski hat mit dem Online-Übersetzer DeepL die Messlatte im Bereich der KI-Übersetzungstechnologie angehoben und Google in die Schranken gewiesen. Für die Mitarbeiter international aktiver Unternehmen ist die Plattform zu einem unverzichtbaren Schlüssel-Tool geworden – allen voran für Exportnationen wie Deutschland und die Niederlande. Wir haben mit dem DeepL-Gründer und -CEO über den rasanten Aufstieg des deutschen Start-ups gesprochen, über seine Pläne sowie die Wettbewerbsfähigkeit von Europa als Standort für High-Tech-Firmen. 

Herr Kutylowski, wann haben Sie DeepL zuletzt selbst benutzt und welchen Content haben Sie in welche Sprache übersetzen lassen?

Jaroslaw Kutylowski: Ich kann eigentlich zu fast jedem Zeitpunkt sagen: vor 5 Minuten. Der DeepL Translator sowie auch DeepL Write sind fester Bestandteil meines (Arbeits-)Lebens – ich kommuniziere schließlich täglich in drei verschiedenen Sprachen: Deutsch, Englisch und Polnisch. Ich vermute, das letzte wird eine geschäftliche E-Mail gewesen sein, oder ein Präsentationsdeck, bei dem ich sowohl DeepL Translate als auch DeepL Write um Unterstützung gebeten habe.

Wie hoch ist die Fehlerquote von DeepL im Vergleich mit den Mitbewerbern – und kann und soll sie noch verbessert werden?

Die Qualität der Ergebnisse ist bereits jetzt sehr hoch. In Zukunft wird es eher darauf ankommen, den Output zu individualisieren. Das heißt etwa, zwischen verschiedenen Stilen oder Varianten wählen zu können, oder Erklärungen zu Übersetzungen zu erhalten. So können die Nutzer sich noch besser darauf verlassen, dass das Ergebnis genau das erreicht, was sie sich vorgestellt haben, ohne der Zielsprache selber Herr sein zu müssen.

Im Januar konnte DeepL mit der jüngsten Finanzierungsrunde die Bewertung von einer Milliarde Dollar erreichen und wurde zu einem der 30 deutschen Einhörner. Wo und wie soll das Geld eingesetzt werden: Optimierung, Weiterentwicklung oder Erweiterung der Produktpalette?

Das sind alles Stellschrauben, an denen wir aktiv drehen. Unser Unternehmensziel ist es, Kommunikationsbarrieren weltweit zu überwinden. Daher werden wir mit der Forschung überall da ansetzen, wo wir dieser Vision näherkommen können. Dazu gehört auch die Forschung an großen Sprachmodellen und die stetige Optimierung und Weiterentwicklung unserer Produktsuite.

Google Translator übersetzt derzeit in 133 Sprachen, Deepl in 31. Zuletzt wurden Ukrainisch, Koreanisch und Norwegisch hinzugefügt. In wie viele Märkten will DeepL noch expandieren?

Die Erweiterung unseres Sprachangebotes ist nur ein Teil der Weiterentwicklung für uns. Es ist nicht das unmittelbare Ziel, so viele Sprachen wie möglich anzubieten, sondern die Sprachen anzubieten, für die wir die beste Qualität garantieren können. Die Auswahl einer Sprache, die wir auf den Markt bringen wollen, hängt auch von bestimmten Kriterien wie wirtschaftliche Relevanz, Anzahl der Sprecher usw. ab. Da wir unsere eigene Forschung betreiben und in engem Kontakt zu unseren internationalen Kunden stehen, können wir sehr gezielte und fundierte Entscheidungen treffen, welche Sprachen wir als nächstes angehen sollten. Für Koreanisch zum Beispiel war die Nachfrage unserer global wachsenden Unternehmenskunden extrem hoch, sodass wir entsprechend priorisiert haben. Als nächstes auf dem Plan steht Arabisch, eine der am weitesten verbreiteten Sprachen weltweit.

Blick zurück: DeepL ist es mit vergleichsweise bescheidenem Budget gelungen, den Google Translator alt aussehen zu lassen. Hielten Sie das bei der Gründung für möglich?

Selbstverständlich konnte 2017 keiner in die Zukunft schauen, aber uns war schon ziemlich früh klar, was wir mit DeepL an der Hand hatten, und wir haben es uns bewusst zum Ziel gesetzt, mit den ganz Großen zu konkurrieren. Wir wollten damals wie auch heute maschinelle Übersetzung revolutionieren und Sprachbarrieren abbauen. Wir wussten, dass uns das nur gelingt, wenn wir den Fokus auf Qualität und Benutzerzufriedenheit legen. Obwohl wir das genaue Ergebnis nicht vorhersehen konnten, hat uns unser Engagement für Innovation dorthin gebracht, wo wir heute stehen.

Wie ist es DeepL überhaupt gelungen, als Underdog einem Global Player wie Google den Rang abzulaufen?

Im Großen und Ganzen ist DeepL’s Erfolg auf eine Kombination von Faktoren zurückzuführen. Wir haben uns auf unsere Technologie konzentriert, um immer die beste Qualität und die genauesten Ergebnisse liefern zu können. Unser unermüdlicher Fokus auf das Produkt und die kontinuierliche Weiterentwicklung haben es uns ermöglicht, einen Service zu schaffen, der von den Nutzern weltweit als überlegen empfunden wird. Außerdem spielte unser Engagement für einen kundenorientierten Ansatz eine entscheidende Rolle. Wir haben auf das Feedback der Nutzer und Unternehmenskunden gehört, uns an ihren Bedürfnissen orientiert und sichergestellt, dass DeepL benutzerfreundlich und zuverlässig ist.

Können Sie für einen Laien erklären, wie die Algorithmen von DeepL arbeiten? Wie sieht neuronales Sprachentraining aus und was ist der Unterschied zum Google Translator?

Zu viel können wir natürlich nicht verraten, denn der Aufbau und das Trainieren der neuronalen Netze machen unsere Produkte zu dem, was sie sind. Man kann sich DeepL als einen Sprachexperten vorstellen, der durch das Lesen vieler Texte lernt. Die KI wird so trainiert, dass sie die Besonderheiten von Sprachmustern versteht, ähnlich wie wir aus Büchern lernen. Dafür nutzt DeepL sogenannte neuronale Netze, die wie die Gehirnzellen eines Computers funktionieren, um Sprache samt Kontext und Nuancen wirklich zu verstehen. Die Unterschiede zwischen einzelnen Lösungen unterschiedlicher Anbieter liegen darin, wie diese neuronalen Netze verschaltet werden und wie deren Training ausgestaltet wird – dies entscheidet dann auch über die Qualität.

Haben Sie Angst, in Zukunft von Google oder anderen generativen KI-Systemen ausgebootet zu werden?

Wir haben uns schon seit Tag eins gegen die Tech-Giganten durchgesetzt, das ist Teil unserer DNA und ein Grund für unsere große Motivation. Wir haben uns in den letzten sechs Jahren einen gewissen Vorsprung erarbeitet, der nicht so schnell einzuholen ist und wir ruhen uns nicht auf unseren Lorbeeren aus. Auch wir investieren weiter kräftig in die unternehmensgetriebene Forschung und treiben die Entwicklung voran. Gerade im Juli haben wir einen der weltweit schnellsten Supercomputer installiert, um große Sprachmodelle schneller zu trainieren und neue KI-Kommunikationstools für den globalen Markt zu entwickeln. Unsere Kunden wissen, was sie an DeepL haben, und das wird uns so schnell niemand streitig machen.

Wie wollen Sie DeepL gegenüber Wettbewerbern wie Microsoft für die Zukunft aufstellen, die allein schon wegen der gigantisch hohen Investments von Risikokapitalgebern Milliarden in neue Technologien investieren können?

DeepL ist ein sogenanntes „AI Native“-Unternehmen – das bedeutet, dass wir unsere Produkte auf eigens hierfür erforschter Technologie basieren. Wir entwickeln bereits seit mehr als 6 Jahren KI-Technologie und verfügen über umfangreiche Erfahrung in diesem Bereich. Aus diesem Grund können wir jetzt schon erste Lernprozesse für uns nutzen und in der weiteren Forschung anwenden. Das ist viel wert und verschafft uns einen natürlichen Vorsprung. Es gehört sicher auch ein gewisser Betrag dazu, damit wir diese Forschung auch betreiben können, aber da hatten wir bisher auch keine Engpässe.

DeepL ist das einzige deutsche KI-Unternehmen, das global bekannt ist. Wir haben inzwischen zwar „Silicon Saxony“, aber eben kein Silicon Valley. Wie können Deutschland und die EU attraktiver für KI-Start-ups werden?

Es stimmt zwar, dass das Silicon Valley seit vielen Jahren ein globaler Tech-Hub ist, aber Deutschland und Europa haben in der KI-Landschaft ihre eigenen Stärken, Stichwort Datenschutz zum Beispiel. Um für KI-Unternehmen attraktiver zu werden, ist es wichtig, auf diesen Stärken aufzubauen und bestimmte Faktoren zu berücksichtigen. Um konkurrenzfähiger zu sein, braucht es mehr konkrete, fokussierte und unternehmensgetriebene Forschung. Auch geht es darum, ein kollaboratives, innovatives und unterstützendes Umfeld zu schaffen, das es KI-Unternehmen ermöglicht, zu wachsen, während gleichzeitig eine verantwortungsvolle KI-Entwicklung gewährleistet wird. Wir dürfen nicht vor Innovation und Pioniergeist zurückschrecken und brauchen mehr Risikobereitschaft, besonders wenn es um die Gründung von Tech-Start-ups geht.

Was bremst das Entstehen einer Innovationskultur hierzulande aus?

Manchmal sind wir zu vorsichtig, und das kann sich auf die Bereitschaft auswirken, etwas Neues zu beginnen. Die Grundvoraussetzungen für die Gründung von KI-Start-ups sind nicht schlecht in Deutschland. Wo uns die großen Konkurrenten, zum Beispiel aus den USA, aber ein Stück voraus sind, ist vor allem die Risikobereitschaft. Deswegen glaube ich stark an die Privatwirtschaft. Wir brauchen Menschen, die etwas anpacken wollen, die sich den aktuellen Hype und die Finanzierungsmöglichkeiten zunutze machen und sich trauen, etwas auf die Beine zu stellen. Auch andere Faktoren spielen hier natürlich eine Rolle, wie das im Vergleich zu einigen anderen Regionen langsame Tempo der Digitalisierung, oder die zuvor erwähnte wenig subventionierte unternehmensgetriebene Forschung. Das sind aber alles Weichen, die nicht unmöglich zu stellen sind.

Seit diesem Jahr ist KI endgültig im Mainstream angekommen. Neben der Begeisterung für die Technologie gibt es auch Warnungen: dass etwa KI-Generatoren für Texte und Fotos zur nächsten großen globalen Krise führen könnten: einer Krise der Realität. Wie sehen Sie das?

KI hat ein enormes Potenzial, verschiedene Aspekte unseres Lebens zu verbessern. Sie kann die Effizienz steigern, komplexe Probleme lösen und neue Wege für Innovationen eröffnen. Dennoch müssen wir bei solchen technologischen Fortschritten auch berechtigte Sorgen ansprechen. Es ist wichtig, dass die KI-Branche, Firmen und politische Entscheidungsträger zusammenarbeiten, um Regeln und Vorschriften aufzustellen, sodass KI-Technologien mit Verantwortung entwickelt und eingesetzt werden. Dabei muss das Gleichgewicht zwischen Innovation und Regulation sichergestellt sein. So können wir ihre Chancen nutzen, während wir gleichzeitig Risiken minimieren.

Kurzer Blick voraus: Im Alter von 40 Jahren haben Sie eigentlich alles erreicht, sind für die Rente aber noch zu jung. Welche Ziele haben Sie noch?

Unsere Unternehmensmission ist es, Kommunikationsbarrieren weltweit zu überwinden. Bisher haben wir schon viel erreicht und sind auf einen guten Weg dorthin, aber es gibt sie nach wie vor. Das ist die kurze Antwort. Hinzu kommt natürlich, dass ich selber begeisterter Forscher und Entwickler bin, und mir diese spannende Reise, die wir gerade mit KI gehen, nicht entgehen lassen will. Mit DeepL sind wir als wahre AI-Natives gerade in einer einzigartigen Position, unsere Expertise ist international gefragt und wir können die Zukunft der KI in Echtzeit mitgestalten.

 

Interview: Janine Damm