Branche: Bau
Branche: Bau & Infra
Unternehmerreisen
3D-Druck und Digitalisierung im Bauwesen
Veranstaltungs-Sprache(n)
Englisch
Beginn
15.03.2022 · 09:00
Ende
17.03.2022 · 17:00
Veranstalter

Während der digitalen Leistungsschau 3D-Druck und Digitalisierung im niederländischen Bauwesen am 16. März 2022 diskutierten deutsche und niederländische Unternehmen über die Chancen des 3D-Drucks, tauschten Erfahrungen aus und sprachen über grenzüberschreitende Zusammenarbeit.

 

3D-Druck und Digitalisierung im Bauwesen

Der niederländische Bausektor ist einer der wichtigsten Wirtschaftsmotoren des Landes, doch aktuell fehlen rund 280.000 Wohnungen - Tendenz steigend. Pro Jahr müssten 100.000 neue Häuser gebaut werden, damit der Bedarf an Wohnraum bis 2030 gedeckt wird. Gleichzeitig rückt nachhaltiges Bauen immer stärker in den Fokus. Das niederländische Kabinett stellt in den kommenden Jahren mehr als 2,3 Milliarden Euro für den Bausektor zur Verfügung und fördert innovative Bauverfahren, wie den 3D-Druck, um die Baugeschwindigkeit von nachhaltigen Gebäuden zu beschleunigen.

Welche Chancen sich dadurch für die Zusammenarbeit deutsch-niederländischer Unternehmen ergeben und welchen Stellenwert der gegenseitige Wissensaustausch hat, diskutierten die Teilnehmer im Rahmen des virtuellen Cross Border Events „3D-Druck und Digitalisierung im Bauwesen“ am 16.03.2022.

 

3D-Druck Verfahren im Bauwesen – Beispiele aus der Praxis

Die Technik der additiven Fertigung hat sich in den letzten Jahren sehr schnell weiterentwickelt. Zunächst wurden erste kleinere Objekte gedruckt, mittlerweile können mithilfe dieser Technologie mehrstöckige Häuser gebaut werden. Dass 3D-Druck nicht gleich 3D-Druck ist, erklärt Stefan Neudecker vom Verband 3D-Druck e.V. zu Beginn der Veranstaltung: „In der Baubranche werden unterschiedlichste Verfahren angewendet – je nach Material, Bauvorhaben und Verwendungszweck. Besonders häufig werden derzeit hybride Lösungen genutzt, also die Kombination von vorgefertigten Elementen mit gedruckten Modulen.“ Roy Thyroff und Bastian Brenken vom Branchenverband Composites United verdeutlichen mit Anwendungsbeispielen aus der Praxis, dass immer mehr Materialien bei 3D-Druckverfahren eingesetzt werden können, so zum Beispiel auch Carbon Wrapping Yarn.

 

Zahlreiche Vorteile gegenüber traditionellen Bauverfahren

Für Stefan Neudecker hat der 3D-Druck viele Vorteile gegenüber herkömmlichen Bauverfahren. Für ihn als Architekt seien natürlich die neuen Designmöglichkeiten interessant, die die additive Fertigung mit sich bringt. „Mithilfe des 3D-Drucks können organischere und komplexere Strukturen und Muster erstellt werden, die in dieser Form bisher nicht möglich waren.“

Ein großer Vorteil der additiven Fertigung im Bauwesen sei die Zeit- und Materialeinsparung. „Der Planungsprozess von Bauprojekten kann deutlich beschleunigt werden, vorausgesetzt, die involvierten Prozesse und Technologien sind aufeinander abgestimmt und sinnvoll miteinander verknüpft. Vom Planungsbeginn bis zum tatsächlichen Bau sind dann weniger Schritte notwendig“, so Neudecker weiter. Auch der tatsächliche Bau sei weniger zeitintensiv. „Viele Bauelement werden bereits im Voraus angefertigt und müssen vor Ort nur noch zusammenmontiert werden.“ Das wiederum bedeute, dass weniger Baumaterialien verwendet werden müssen (wie beispielsweise Baugerüste) und so Kosten eingespart werden können.

 

Möglichkeiten der Digitalisierung im Bauwesen

Wie alle Bereiche des täglichen Lebens, wird auch der Bausektor und das Gebäudemanagement immer digitaler. Über viele Gebäude fehlen jedoch die Daten über den „Ist-Zustand“. Adrian Merkel von Framence möchte das mit der Digital Twin Technologie ändern. Mithilfe von Künstlicher Intelligenz erstellt das Unternehmen aus einfachen Bildern digitale 3D-Modelle eines Gebäudes. „Die dadurch erhaltenen Daten erleichtern spätere Sanierungs- und Modernisierungsmaßnahmen.“ Aber auch schon während des Hausbaus habe sich diese Technologie bewiesen. In der Pandemie konnten Bauherren Baustellen virtuell begutachten und die Baufortschritte dank der umfassenden Dokumentation nachvollziehen. Auch Jonas Stamm von Molteo ist der Meinung, dass die Digitalisierung im Bauwesen die Zukunft ist. „Was wir versuchen ist, die Angestellten der Baufirmen mithilfe unserer Software bei der Bauablaufplanung, Personalplanung, Baudokumentation und Zeiterfassung zu unterstützen." Allerdings sei er auch der Meinung, dass die Digitalisierung auf dem Bau nur dann erfolgreich sein wird, wenn sie von den Mitarbeitern mitgetragen wird. „Entwickler von digitalen Tools und Software sollten daher eng mit den Baufirmen zusammenarbeiten und sie zu den Technologien schulen,“ so Jonas Stamm.

 

Behörden, Bürokratie, Baufirmen: Herausforderungen bei Nutzung neuer Technologien

Viele Baufirmen stehen der Digitalisierung zunächst skeptisch gegenüber. Auch Tobias Grün von voxeljet kennt die zögerliche Haltung der Kunden. Bei dem Unternehmen verfolge man daher einen hybriden Ansatz. „Wir drucken nur besonders komplexe Elemente, die aufgrund ihrer Struktur oder Form konventionell schwierig herzustellen sind und integrieren diese in traditionell gebaute Gebäude. Wir möchten bestehende Bauverfahren also nicht ersetzen, sondern sie erleichtern.“

Das Projekt von André Baldauf hat gezeigt, dass es möglich ist traditionelle Bau- und Handwerksunternehmen von neuartigen Bauverfahren, wie der 3D-Technik, zu überzeugen. Im bayrischen Lindau hat er die weltweit erste Gebäudeerweiterung mithilfe des 3D Druckverfahrens realisiert.

Daniel Weger vom Ingenieurbüro Schiessl Gehlen Sodeikat war am Projekt von André Baldauf beteiligt. Er sieht noch zwei große Herausforderungen beim großflächigen Einsatz von 3D-Druck im Bauwesen. Zum einen müssten Bauvorhaben im 3D-Druck aktuell anhand der Baustandards, die für traditionelle Bauweise entwickelt wurden, berechnet und bewertet werden. Andere Betonmischungen und Konstruktionsarten würden hierin noch gar nicht abgedeckt. Zum anderen seien die Verfahren auch für Behörden neu, sodass hier häufig noch Überzeugungsarbeit geleistet werden müsse.

Dem stimmt auch Tilman Mues von Duro3D zu: „Ein Problem sind noch immer die bürokratischen Hürden sowie die zum Teil veralteten Technologien und Ansichten bei den Unternehmen selbst. Darüber hinaus müssen unsere Vorhaben am Ende des Tages auch wirtschaftlich tragbar sein. Die fortlaufenden Entwicklungen und aufgebaute Erfahrung mit dem Prozess zeigen jedoch, dass es möglich ist. Und dann bietet 3D-Druck viele Möglichkeiten.“

 

Chance für einen nachhaltigeren Bausektor?

Jan Schuboth von 3-D.services pflichtet bei: „Erfolgsfaktor für 3D gedruckte Produkten ist die technische Umsetzung. Wir arbeiten gerade an der Entwicklung einer auf unsere Produkte abgestimmten Software und eigener Algorithmen, damit wir eine hohe Qualität der Produkte sicherstellen können.“

Herman Bolhuis vom niederländischen 3D Makers Lab sieht große Chancen durch Optimierung in der Supply Chain und beim Austausch von Informationen in der Branche. „Egal, ob Design, Zertifizierung oder IT. Wir sind noch weit entfernt von ausgereiften Prozessen,“ so sein Resümee. „Der grenzüberschreitende Wissenstransfer ist hierbei der Schlüssel zum Erfolg.“ Er erhoffe sich für die Zukunft mehr Kooperationen von deutschen und niederländischen Unternehmen sowie eine engere Zusammenarbeit von Praxis und Forschung.

„Die Baubranche gilt als einer der größten CO2 Verschmutzer überhaupt,“ so Eckhard Wagner von HeidelbergCement. „Obwohl wir weltweit in 60 Ländern aktiv sind, spielt Nachhaltigkeit und acting locally eine große Rolle bei uns. Wir hören oft, dass Zement zukünftig nicht mehr verwendet werden sollte. Dabei werden die Möglichkeiten einer nachhaltigen Verwendung stark unterschätzt.“ HeidelbergCement forsche daher momentan an den Recyclingmöglichkeiten von Zement. „Es gibt bereits Unternehmen, die natürliche Baumaterialien, wie beispielsweise Ton oder Stroh, nach der Verwendung recyclen und als Dünger verwenden. Die 3D-Technologie bietet viele neue Möglichkeiten in diesem Bereich, die wir momentan wahrscheinlich noch gar nicht in Betracht ziehen,“ so Wagner.

Zudem ist auch die Wiederverwendung von einzelnen gedruckten Elementen denkbar. Freek Bos von der TU Eindhoven spricht sich daher für den Druck einzelner Bauteile statt ganzer Häuser aus, da dies die Möglichkeiten einer mehrmaligen Verwendung erhöhe.

 

Ausblick: Wie sieht die Zukunft des 3D-Drucks in der Baubranche aus?

Hans Laagland von Witteveen + Bos setzt große Hoffnungen in die neuen Technologien: „Der Wohnungsmarkt muss gerettet werden. Momentan muss man in den Niederlanden 1,5 Jahre auf ein Haus warten. So kann es nicht weitergehen.“ Er ist der Meinung, dass sich die Baubranche zwangsläufig verändern muss und dass innovative Technologien die Chance haben, dies zu tun. „Wir müssen den Markt schon jetzt vorbereiten, auf das was kommt. Und vor allem verstärkt an der technischen Umsetzung arbeiten, damit sich die Vorhaben auch in der Realität umsetzen lassen. Code Development ist das Stichwort.“

René Backx von MX3D findet es wichtig, dass weiterhin viel ausprobiert wird. „Nur so können wir Fortschritte machen und die Möglichkeiten der additiven Fertigung im Hinblick auf Design, Geld- und Materialeinsparungen einer breiteren Masse zeigen und zugänglich machen. Langfristig wird das die Baubranche voranbringen.“

Jan-Peter Graumann von PERI hebt darüber hinaus den Stellenwert der Zusammenarbeit innerhalb des Sektors hervor: „Die Technologie der additiven Fertigung ist noch immer sehr jung und in Entwicklung. Daher ist es so wichtig, dass die Unternehmen entlang der Wertschöpfungskette, die alle ihre Spezialgebiete und eigene Expertise haben, bei den Projekten von Beginn an eng zusammenarbeiten.“

André Baldauf fasst die Zukunft des Bauwesens treffend zusammen: „Ziel des Bausektors muss es sein, Digitalisierung und Nachhaltigkeit zusammenzubringen. Meiner Meinung nach hat die additive Fertigung das Potenzial, genau dies zu tun.“

 

Grenzüberschreitende Zusammenarbeit als Schlüssel zum Erfolg

„Der Markt verändert sich schnell. Den 3D-Druck gibt es noch nicht allzu lange, nun ist man bereits in der Lage Häuser zu drucken,“ so Kai Esther Feldmann, Absatzberaterin bei der DNHK. „Gleichzeitig haben wir einen extremen Wohnungsmangel und den Wunsch nach nachhaltigerem Bauen. Diese Faktoren bieten viele Chancen für innovative Unternehmen aus Deutschland und den Niederlanden.“

Co-operation is key – der Schlüssel zum Erfolg ist die enge Zusammenarbeit beider Länder im Hinblick auf den Wissensaustausch. Wir hoffen, dass wir mit diesem Event dazu beigetragen haben und neue Geschäftskontakte herstellen konnten,“ mit diesen Worten verabschiedeten sich die Organisatoren Kai Esther Feldmann und Aldo Lodder nach rund zweieinhalb Stunden von den Teilnehmern.

Kai Esther Feldmann

Kai Esther Feldmann

Absatzberatung/
Leiterin Repräsentanz Frankfurt am Main

Partner